Wie wir der Dunkelheit in uns selbst begegnen können und was "Haus des Geldes" damit zu tun hat

Dies ist eine Serie von drei Blogartikeln die in ihrer jeweiligen ersten Version bereits in den Jahren 2016 und 2017 erschienen sind.

Es geht darin um Gemeinschaft und darum, warum sie der Schlüssel zum Frieden ist. Es geht um Medien und warum wir sie als äußere Spiegel für innere Prozesse sehen können. Und es geht darum, wie wir dafür sorgen können, dass uns die Dinge wieder heiliger werden. Um meiner Haltung zu den aktuellen Geschehnissen auf der Welt Ausdruck zu verleihen und Lösungen ins Visier zu nehmen, anstatt den Kreislauf aus alten patriarchalisch geprägten Mustern immer weiter fortzuführen, und uns in unserer Opferrolle klein zu halten, habe ich sie vollständig überarbeitet und in dieser Serie zusammengefasst.

 

Alle drei Artikel zusammen zeichnen ein neues Bild, des aktuellen Zustands unserer Welt. Sie bieten Zusammenhänge, Erklärungen und vor allem Lösungsvorschläge an. Jeder Artikel hat ein eigenes Schwerpunktthema- aber erst in der Zusammenschau bieten sie uns das umfassende Bild, das wir aktuell aus meiner Sicht brauchen. Das hier ist Teil 2. Hier findest du Teil 1 und hier Teil 3. Alle drei Artikel zusammen kannst du dir auch hier als Audioversion runter laden.


„Gut“ oder „Böse“? Man sollte meinen, diese Unterscheidung wäre ganz leicht zu treffen. Gut und Böse. Richtig und Falsch. Wahrheit und Lüge. Es gibt nur das eine, oder das andere. Oder?  Spätestens nachdem man sich die Dokumentation "Das Dilemma mit den sozialen Medien" angeschaut hat, weiß man, dass das nicht so ist. Die erste Version dieses Artikels hier gab es allerdings lange vor der Ausstrahlung dieser Dokumentation. Und dass sich seitdem nicht das Geringste verändert hat, gibt mir umso mehr Anlass dazu, alles nochmal in ein neues Licht zu rücken.

 

Da wir jetzt hier bereits in den ersten Sätzen einen der größten Streaminganbieter, sowie eine der erfolgreichsten Serien der letzten zehn Jahre erwähnt haben, beginnen wir Teil zwei dieser Reihe mit unserer Beziehung zu Medien.

Wir alle machen diese Erfahrung: Wir werden täglich mit einer Vielzahl an negativen Nachrichten konfrontiert, denen wir kaum aus dem Weg gehen können, die schwer zu bewältigen sind und uns mehr belasten und beeinflussen, als uns das oft bewusst ist. (Ich habe versucht mein Gehirn darauf zu trainieren, die reißerische Schlagzeile auf der Bildzeitung beim Bäcker morgens nicht wahrzunehmen, aber der Erfolg war überschaubar.) Wir leben offensichtlich in Zeiten in denen das Leben, wie wir es gekannt haben, immer unsicherer wird. Zeiten in denen Demokratien bedroht sind, die wir bisher für selbstverständlich hielten. Zeiten, in denen es überall so viel Leid zu geben scheint, dass wir, in dem Versuch damit umzugehen, oft genug maßlos überfordert sind.

Es entsteht der Anschein, das Leid der Welt wäre zu groß und zu übermächtig, um dem etwas entgegen setzen zu können. Fragen kommen auf: Was können wir, was kann ICH dagegen eigentlich tun? Hilflosigkeit macht sich breit. Angst. Und Resignation ist dann oft nur einen Gedanken weit entfernt. Wir schotten uns ab- und damit bleiben uns alle weiteren Möglichkeiten verschlossen. 

 

Klar ist, dass Zeiten wie diese, in der wir aktuell leben, es notwendig machen neue Fragen zu stellen und ganz bewusst nach neuen Antworten zu suchen.

 

 

 

 

Wie ist das also mit Gut und Böse? Ist es tatsächlich so einfach, dass die einen die Täter und die anderen die Opfer sind? Natürlich hätten wir alle gerne, dass es so ist. In all diesem Chaos hätten wir wenigstens gerne die Gewissheit, wer genau das Problem ist. Probleme können wir eliminieren- und ich muss hoffentlich nicht sagen, wie gefährlich diese Sichtweise ist, abhängig davon, wer das Problem definiert. Die Psychologie dahinter ist jedoch ganz einfach: Denn indem wir entscheiden, wer Täter und wer Opfer ist, gewinnen wir wenigstens ein kleines Stückchen Sicherheit zurück. Wir gegen die. Die gegen uns.

 

Scarlett Lewis beispielsweise, die du schon aus dem vorangegangenen Artikel kennst, die ihren sechsjährigen Sohn Jesse, bei einer Schießerei in einer amerikanischen Schule verloren hat, hat eine Bewegung ins Leben gerufen, die sich mit Ursachenforschung beschäftigt. Und sie hat den Mut gefunden ein Verständnis dafür zu erlangen, was den Amokläufer, den Mörder ihres Sohnes, zu jener Person hat werden lassen, die zu dieser Tat fähig war.

 

Und hier erreichen wir eine Grenze zwischen Gut und Böse, über die wir uns häufig nicht zu sprechen trauen, denn es gibt leichtere Themen. In Deutschland zum Beispiel suizidieren sich jährlich ca. 10 000 Menschen*. Gemessen an der Anzahl der Einwohner*innen ist die Suizidrate in vielen Ländern der Welt leider noch höher. Und, ohne die genauen Hintergründe jedes einzelnen Menschen kennen zu müssen, ist doch klar, dass Verzweiflung hinter all diesen Tragödien steckt. Keinen Ausweg mehr zu wissen. Keinen Sinn mehr im eigenen Leben zu sehen. Sich unbeachtet, verloren, verlassen und einsam zu fühlen. Mit dem Leid und den Anforderungen der Welt nicht mehr klarzukommen.

 

In diesem Zusammenhang frage ich mich, warum sich im Angesicht solcher deprimierenden und erschreckenden Zahlen und Tatsachen nicht mehr Menschen trauen die folgenden Fragen zu stellen, so wie es Scarlett Lewis getan hat: Wieso hatte denn der jugendliche Attentäter nichts mehr zu verlieren? Wie viel Geringschätzung, Ausgrenzung und wie viel Ignoranz hat er erfahren, die ihn vielleicht am Ende dazu getrieben haben, zu glauben, dass er nichts mehr zu verlieren hat? Dass eine verquere Form von Rache an vermeintlich glücklichen Menschen, alles war, was seine Gedanken noch beherrschen konnte? Mit wie vielen anderen Menschen, die ebenfalls nichts zu verlieren hatten, hat er sich ausgetauscht und ein derart gefährliches Weltbild, eine derartige "Wahrheit über das Leben" erschaffen? 

 

Selbstverständlich sind diese Überlegungen keine Entschuldigung für seine Tat oder irgendeine andere. Und sie helfen auch keinem der Angehörigen, die geliebte Menschen in irgendeiner Art von Tragödie verloren haben.

Und trotzdem, dennoch, bin ich davon überzeugt, dass wir keine Lösung finden werden, bevor wir nicht anfangen uns genau diese Fragen zu stellen. Denn natürlich wollen wir tief in uns drin alle nur diese Attentäter ausgeschaltet wissen. Diese Diktatoren. Diese unberechenbaren Menschen. Wir wollen uns doch einfach nur sicher fühlen. Aber ganz so einfach ist es dann halt doch nicht. Genauso wie die Unterscheidung zwischen Gut und Böse.

 

 


Lasst uns noch ein bisschen tiefer einsteigen. Ich weiß, dass es schwer ist, an dieser Stelle tiefer zu gehen. Hier weiter zu bohren bringt uns weit aus unserer Komfortzone heraus. Aber wenn Menschen wie Scarlett Lewis es schaffen, sich mit Ursachenforschung zu beschäftigen, schaffen wir das auch- und wir haben die Pflicht dazu.

 

Das hier mag vielleicht zunächst etwas nebensächlich klingen im Zusammenhang mit allem, was zuvor gesagt wurde, aber ich war mein Leben lang ein leidenschaftlicher Serienjunkie. Eine der besten Serien, die ich je geschaut habe, war „Haus des Geldes“ und damit stand ich nicht allein da, denn es war in vielen Ländern eine der erfolgreichsten Netflix-Serien aller Zeiten. 

Es war die Serie für mich, mit dem größten Spannungsfaktor. Eine Serie, die ich kaum aushalten konnte und bei der mein Puls regelmäßig nach oben gestiegen ist. (Über die Kampf-/ Fluchtreaktion, die in diesem Zusammenhang mindestens genauso faszinierend ist, sprechen wir an anderer Stelle!) 

So spannend, so intensiv, so extrem. Welcher Charakter würde überleben? Wie würde sich diese Situation wohl lösen lassen? Immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich aus tiefstem Herzen mit fieberte. Und dann stellte ich mir tatsächlich zwischendurch immer wieder die Frage, warum eigentlich? Denn im Grunde genommen ging es bei der ganzen Serie um nichts anderes als um Gewalt und einen Haufen krimineller Menschen mit fragwürdigen Absichten. Jeder einzelne dieser Charaktere hatte eine mehr oder weniger schlimme kriminelle Vergangenheit. 

 

Und trotzdem, entwickelte ich Sympathie. Und trotzdem wollte ich, dass lieber der eine und nicht der andere Charakter überlebte. Und erst recht, dass die, die ich für die allerbösesten hielt endlich ihre gerechte Strafe bekommen würden!

Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen in einer solchen Serie nicht nur- sie sind vollkommen aufgehoben. Und sie springen vollkommen chaotisch hin und her. Der Bösewicht aus Staffel eins, den wir zutiefst für seine mörderischen Taten verabscheuten, entwickelt sich ab Staffel drei plötzlich zu unserem Liebling, weil er "menschlichere Seiten" zeigt.

In diesen Zusammenhängen feiern wir, die wir uns für so aufgeklärte Menschen halten, Märtyrertum, Rachefantasien und Selbstjustiz.

Jetzt könnte man sagen, dass das doch aber nur eine Serie ist und das andere schließlich das reale Leben! Ich sehe das nicht so. Vielmehr sehe ich in der Faszination für solche Szenen einen Spiegel unserer eigenen Welten. Ich glaube, dass das reale Leben nie so einfach in Gut und Böse einzuteilen ist, wie wir es gerne hätten. Sondern, dass uns genau diese Einteilung eine Sicherheit vorgaukelt, die es auf diese Weise in der Realität nicht gibt. Und was noch viel schwerwiegender ist: Diese Einteilung lässt uns selbst auf der vermeintlich guten Seite stehen, und damit müssen wir uns nicht mit unseren eigenen dunklen Seiten auseinandersetzen.

 

Achtung Ironie: Wir sind hier schließlich nicht die Bösen. Es gibt immer welche, die viel Schlimmeres tun als wir selbst. Da gibt es schließlich einzelne Individuen, die sich in Menschenmengen in die Luft sprengen. Mein unbewusster Konsumrausch, mit dem ich Massentierhaltung und erschreckende Arbeitsbedingungen in anderen Ländern unterstütze (und damit zu Unmengen an Leid und Schmerz beitrage) wiegt da doch wohl deutlich weniger. Da gibt es schließlich Individuen, die den Tod anderer bewusst in Kauf nehmen. Die aus Hass, Angst und Wut, Morde und Kriege planen. Wenn ich hingegen beständig über Menschen lästere, tratsche und klatsche, die in meinen Augen zu dick, zu dünn, zu reich, zu arm, zu irgendwas sind, und sie damit öffentlich abwerte, kann man das doch bitte in keinem Verhältnis dazu sehen!!! Oder? Ironie Ende.

 

In einem energetischen Universum, und in einem solchen leben wir, wird alles ins kollektive Bewusstsein eingespeist. Unser Hass und unsere Urteile anderen und uns selbst gegenüber ebenso, wie unsere Emotionen von tiefer Dankbarkeit und Fürsorge.

 

Ähnlich wie das positive Beispiel über Gemeinschaft im ersten Artikel Wurzeln schlägt und sich weiter ausbreitet, tut es das auch jegliche Form von Negativität- sie mag klein und unscheinbar beginnen und breitet sich trotzdem weiter aus und wächst.

In welche Kategorien teilen wir unsere eigene Sicht von Gut und Böse also ein? Wo liegt unsere persönliche Grenze? Wo unsere persönliche Grauzone? Ich stelle diese Fragen bewusst mit dem Vorwort „persönlich“. Denn eines habe ich in meiner Arbeit mit unzähligen Menschen über die Jahre festgestellt: Die eine objektive Grenze gibt es nicht.

 

Mystiker und Weisheitslehrer aller Zeiten, sagen uns, dass wir der Dunkelheit in der Welt nur mit einer einzigen Sache wirklich begegnen können: indem wir der Dunkelheit in uns selbst begegnen.

 

Ich glaube, dass kaum etwas anderes der Wahrheit dieses Lebens zur aktuellen Zeit näherkommt. Louise Hay sagte dazu, ebenfalls mal ziemlich treffend in einem Interview: „Wenn du dein Haus wirklich richtig reinigen willst, musst du zuerst den Schmutz sehen“. Erweitern wir es auf die Welt. Wenn du die Welt von Dunkelheit befreien willst, musst du zuerst dich selbst von Dunkelheit befreien. Stell dich deinen Ängsten. Stell dich deinen Urteilen und Vorurteilen. Begegne den Mustern in dir selbst, für die du dich zutiefst schämst- und komm an den Punkt, an dem du Mitgefühl mir dir selbst empfinden kannst, denn dann wird es dir auch gelingen, Mitgefühl mit anderen zu empfinden.

 

Immer wenn ich an eine solche Stelle mit meinen Ausführungen komme, finde ich es auch wichtig zu sagen:

„Nein, wir müssen nicht von heute auf morgen Heilige werden. Ja, natürlich, habe auch ich selbst meine ganz eigenen Herausforderungen damit- wie jeder andere Mensch, dem ich bisher begegnet bin auch. Nein, wir müssen nicht damit aufhören unsere Lieblingsserien zu gucken und wir sind auch keine schlechten Menschen, wenn wir das tun. Aber meine Güte, wir müssen uns all dessen endlich bewusst sein. Wir dürfen nicht länger so tun, als gäbe es das alles nicht bei uns. Wir müssen endlich irgendwo einen Anfang machen- und dieser liegt in uns selbst.

 

Wir müssen damit aufhören Medien zu unterstützen, die immer nur weiter mit ihren furchtbar gefährlichen reißerischen Schlagzeilen, die Spaltung der Gesellschaft weitertreiben und damit die Geschichte „Wir gegen die. Die gegen uns“ aufrechterhalten. Wir können vieles gebrauchen, aber ganz sicher nicht noch mehr Spaltung, noch mehr Trennung, noch mehr uninformiertes Nachgeplapper von Vorurteilen, die schlichtweg falsch sind. Wenn wir uns die aufgeheizte Stimmung in unserem eigenen Land in den vergangenen zwölf Monaten anschauen, ist es zwar einfach zu sagen: "Die sind die Bösen" und doch wäre das Kehren vor der eigenen Haustüre wirklich angebrachter.

Und wir müssen nachdenken, Quellen recherchieren, bevor wir etwas weiterleiten. 

Zusätzlich erwarten wir weder von uns selbst noch von anderen Perfektionismus. Wir erlauben uns Fehler zu machen, anstatt aus Angst vor eben diesen lieber gar nichts zu sagen und zu unternehmen und lernen hinzu, wo es notwendig ist!“

 

Beenden möchte ich diesen Artikel mit einem sehr passenden Zitat aus einem meiner Lieblingsfilme „Maleficent- die dunkle Fee“: „Anders, als die Legende prophezeite, hatte weder eine Heldentat noch ein Verbrechen die beiden Königreiche versöhnt, sondern eine gute Fee, die ihre dunkle Seite überwunden hatte.“

 

 


* Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/583/umfrage/sterbefaelle-durch-vorsaetzliche-selbstbeschaedigung/#professional (Stand 28.02.2022)


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