Über Gemeinschaft und warum sie der Schlüssel zu Frieden ist

Dies ist eine Serie von drei Blogartikeln die in ihrer jeweiligen ersten Version bereits in den Jahren 2016 und 2017 erschienen sind.

Es geht darin um Gemeinschaft und darum, warum sie der Schlüssel zum Frieden ist. Es geht um Medien und warum wir sie als äußere Spiegel für innere Prozesse sehen können. Und es geht darum, wie wir dafür sorgen können, dass uns die Dinge wieder heiliger werden. Um meiner Haltung zu den aktuellen Geschehnissen auf der Welt Ausdruck zu verleihen und Lösungen ins Visier zu nehmen, anstatt den Kreislauf aus alten patriarchalisch geprägten Mustern immer weiter fortzuführen, und uns in unserer Opferrolle klein zu halten, habe ich sie vollständig überarbeitet und in dieser Serie zusammengefasst.

 

Alle drei Artikel zusammen zeichnen ein neues Bild, des aktuellen Zustands unserer Welt. Sie bieten Zusammenhänge, Erklärungen und vor allem Lösungsvorschläge an. Jeder Artikel hat ein eigenes Schwerpunktthema- aber erst in der Zusammenschau bieten sie uns das umfassende Bild, das wir aktuell aus meiner Sicht brauchen. Das hier ist Teil 1. Hier findest du Teil 2 und hier Teil 3. Alle drei Artikel zusammen kannst du dir auch hier als Audioversion runter laden.


 „Gemeinschaft“ - ich glaube, dass es gerade dieser Tage kaum etwas gibt, was wichtiger für uns ist. Ein erstes Aha dazu hatte ich vor einigen Jahren, als ich eine Reise nach Island gemacht habe. Eigentlich ist es erstaunlich, dass man zu so etwas Selbstverständlichem erst ein Aha-Erlebnis braucht, aber so geht es uns schon lange mit vielen vermeintlich so einfachen Dingen in unserer komplexen Welt. Jedenfalls hallte ein Satz des Reiseführers lange in mir nach und beschäftigte mich weit über die Reise hinaus. „Wir sind ein sehr kleines Land, inmitten wunderschöner, aber auch sehr rauer und erbarmungsloser Natur. Wir können es uns nicht leisten einzelne Gruppen auszuschließen. Hier wird jeder gebraucht“, sagte er.

Ohne jeden Zweifel gibt es viel Leid auf der Welt. Aber ist es tatsächlich so übermächtig, wie es oft den Anschein hat? Sind wir tatsächlich so machtlos, wie wir häufig glauben? Ich glaube, dass wir es nicht sind. Und ich glaube, dass es „Gemeinschaft“ ist, die wir in diesen Tagen mehr als alles andere brauchen. 

 

 

Lass mich das etwas weiter ausführen:

  

Unsere Leben sind anonym geworden. Wir leben nebeneinanderher, mehr virtuell als real und sind so gestresst von unserem vermeintlich wichtigen Arbeitsalltag, dass wir privat nur noch unsere Ruhe wollen. Dabei verlieren wir mehr und mehr jegliches Gefühl für Gemeinschaft. Und wir übersehen, dass gerade sie der Schlüssel ist zur Verbesserung unserer Lebensumstände. Der Schlüssel auch zu Frieden.

 

Eine Weile nach meiner Islandreise erzählte mir eine Freundin eine Geschichte, die zu einem weiteren Aha-Erlebnis für mich wurde, was Gemeinschaft angeht. Sie lebt mit ihrer Familie in einem großen Mietshaus mit vielen Wohnungen mitten in der Großstadt. Sie erzählte, dass es regelmäßig einzelne Gespräche im Treppenhaus, über verschiedene Dinge gab, die die Menschen im Haus nervten. (Wer putzt? Wer stellt die Mülltonnen raus? Wer kümmert sich um den Dreck im Hof, etc.). Meine Freundin selbst ist ein Typ, der nicht lange redet, sondern Dinge in die Hand nimmt. Deshalb beschloss sie, ein regelmäßiges Mietertreffen ins Leben zu rufen. Seitdem setzen sich nun einmal im Monat alle in lockerer Runde zusammen und besprechen Dinge, das Haus betreffend oder tauschen sich einfach nur aus. Sie lernen sich kennen. 

 

Und ich frage mich:

 

Was könnte wichtiger sein als das? Als das Gefühl zu haben, seine Nachbarn zu kennen. Sich bekannt zu machen. Mit dem Spekulieren aufzuhören. Mit dem Vorverurteilen aufzuhören, obwohl wir keine Ahnung haben, welches Leben diese Menschen neben uns tatsächlich führen. Was ihre Hintergründe, ihre Geschichten, ihre Herausforderungen sind. 

Und alles was es dazu braucht, ist dieser eine Mensch, der ein kleines bisschen über seinen eigenen Schatten springt. Einfach mal das Beste von Menschen annimmt, anstatt immer gleich das Schlechteste. Einfach mal etwas unternimmt, anstatt sich über die immer gleichen Dinge zu beschweren. 

Und direkt an dieser Stelle bringen wir eine neue Ebene mit rein. Denn ich höre sie bereits in meinem Kopf: all jene Stimmen, die mir jetzt laut „Ja, aber!“ zurufen. „Ja, aber in meinem Mietshaus ist das nicht so einfach! Ja, aber bei uns will das keiner! Ja, aber ich sehe ja auch nicht ein, dass ich das immer mache! Die anderen können ja auch mal!“

 

98% aller Menschen reagieren positiv, wenn ihnen echte Freundlichkeit, Respekt und Höflichkeit entgegengebracht werden. Wenn wir nicht in einer Beschwerdehaltung aufeinander zugehen, nach dem Motto: „Du müsstest doch aber mal…!“, sondern ehrlich fragen: „Hey, wie könnten wir das für uns alle besser lösen?“ Und dafür führe ich hier jetzt keine Studie an, sondern das sagt mir mein gesunder Menschenverstand sowie meine inzwischen über zwanzigjährige Erfahrung in der Sozialarbeit mit unterschiedlichsten Menschen. 

Menschen reagieren positiv auf Freundlichkeit. Und die restlichen 2%, die vielleicht wirklich vollkommen unempfänglich für deine Bemühungen sind, können dir gestohlen bleiben, bzw. haben keine Chance etwas auszurichten. Stell nur sicher, dass du nicht einer dieser Menschen bist, der mit seinen ganzen „Ja-Abers“ in diesen 2% und in seinen Ausreden gefangen bleibt.

 

 


Wenn wir über all diese unsere Schatten und Bequemlichkeiten einfach mal hinüberspringen, könnten wir uns ja vielleicht sogar (Gott bewahre!) gegenseitig unterstützen, mit den unterschiedlichen Fähigkeiten, die wir, als verschiedene Menschen haben!

 

In der Nachbarschaft mag es für einige Menschen ein Leichtes sein, dir das neue Regal anzubringen. Du bist dafür wirklich gut im Backen und steuerst eine neue Kreation zum nächsten Kindergeburtstag bei. Oder umgekehrt. Da mag es die ein oder den anderen geben, die dir gern deine Reifen wechseln, während du dich dazu bereit erklärst das Kind mit zum nächsten Fußballtraining zu nehmen. Vielleicht gibst du übrig gebliebenes Essen lieber in der Nachbarschaft ab, bevor du es wegwirfst? Vielleicht leiht ihr euch Dinge? Vielleicht bringst du einem anderen etwas aus dem Supermarkt mit? Was früher in dörflichen Gemeinschaften gang und gäbe war, verliert sich heute zunehmend zum Leidwesen aller. Dabei sind die Möglichkeiten unzählig.

 

Aber wie oft tun wir so etwas? Wie oft erwarten wir Gutes von Menschen? Und wie oft erzählen wir uns eher misstrauisch, wie schlecht die Welt doch ist. „Wer weiß, was das für Leute sind! Wir kennen die doch gar nicht!“

 

Eins steht aber fest: Wenn wir wieder sicherer leben wollen und den Zustand der Welt langfristig verbessern wollen, müssen wir uns kennen lernen wollen. Wir müssen erfahren wollen, mit wem wir dort Wand an Wand zusammenleben. Ja, richtig, wir müssen es wollen! Übers Kennenlernen entsteht Gemeinschaft. Und Gemeinschaft heilt, bringt Freude, fängt auf und gibt Sicherheit.

 

Und was fast noch wichtiger ist: Gemeinschaft lehrt unseren Kindern soziale Werte. Sie lehrt unseren Kindern Miteinander. Sie lehrt ihnen, dass Diversität wichtig ist. Jeder kann etwas, das für andere nützlich ist. Sie lehrt, dass man miteinander klarkommen kann- auch wenn man nicht jeden mögen und nicht mit jedem einer Meinung sein muss.

 

Nur mit dieser Einstellung, werden wir Stück für Stück weniger und weniger aggressive Erwachsene in die Welt entlassen. Weil es uns nicht länger egal ist, wie sich der einzelne fühlt. Weil es uns nicht länger egal ist, was nebenan passiert, so lange wir in unserem Wohnzimmer heile Welt spielen können.

 

Gemeinschaft beginnt im Kleinen. Sie fängt in unseren Familien, in unseren Wohnungen, in unseren Häusern an. Dort bildet sie Wurzeln und breitet sich von allein immer weiter aus, wie Pflanzen, die wachsen und ihre eigenen immer größeren Gebiete erobern.

 

Eine meiner Heldinnen zu diesem Thema ist Scarlett Lewis. Sie verlor ihren sechs Jahre alten Sohn Jesse 2012 durch einen jugendlichen Attentäter an der Sandy-Hook-Highschool in Newtown, Connecticut. Sie gründete daraufhin die „Jesse Lewis Choose Love Foundation“, die sich mit speziell entwickelten Programmen dafür einsetzt, Kindern neue Handlungs- und Bewältigungsstrategien beizubringen. Sie sagt: „Auch wenn wir uns nicht immer aussuchen können, was uns passiert, können wir doch immer entscheiden, wie wir darauf reagieren. Ich bin in den letzten 23 Monaten [seit der Tat, Anm. d. Verf.] ungemein gewachsen. Nicht weil ich wollte, aber weil ich musste. Wenn wir hier sind, wenn wir leben und atmen, haben wir auch eine Aufgabe. Eine Bestimmung. Das Gute an einer Tragödie ist, dass du die Bedeutung deiner Aufgabe sehr schnell findest. Ich habe meine Aufgabe mit der Choose Love Foundation gefunden: Kinder können lernen, einen liebenden Gedanken, über einen wütenden zu wählen. Wenn ein Kind realisiert, dass es die Macht hat, sowohl sich selbst als auch andere, positiv zu beeinflussen, stärkt das nachhaltig seine positiven Handlungen und seine Interaktionen mit anderen.“

 

Nehmen wir uns diese Worte zu Herzen und seien wir ein Vorbild für unsere Kinder. Mit jedem einzelnen unserer Worte und mit jeder einzelnen Handlung, prägen wir sie und entscheiden dadurch mit, zu welchem Teil der Gemeinschaft sie eines Tages gehören werden. Nehmen wir uns Frauen wie Scarlett Lewis oder auch Immaculée Ilibagiza zum Beispiel und entscheiden uns dafür, Gutes in die Welt zu schicken. Wenn wir die Beispiele und Lebensgeschichten dieser Frauen lesen, haben wir keine Ausreden mehr. Gar keine. 

 

Meiner Meinung nach kommt Frauen in der aktuellen Situation eine besondere Rolle zu. Die Welt braucht starke Frauen. Das sehen wir ganz drastisch, wenn wir überall auf der Welt beobachten, dass es der immer wieder gleiche Typ Mann, mit den immer wieder gleichen alten Vorstellungen und Machtfantasien ist, die er mit Terror, Angst und Unterdrückung durchzusetzen versucht. Mehr dazu im zweiten Artikel. 

 

 


An dieser Stelle nur noch so viel dazu: Ihr müsst nicht alle politische Aktivist*innen werden, aber kümmert euch um euch! Sorgt dafür, dass ihr innerlich stark seid. Sorgt dafür, dass eure Akkus aufgeladen sind, was auch immer dazu für euch ganz persönlich notwendig ist. Sorgt dafür weder euch selbst noch andere zu verurteilen. Niemand rettet die Welt im Alleingang. Weder von dir noch von anderen wird Perfektion erwartet- es geht nur darum, dass jeder Mensch seinen eigenen Teil beisteuert. Wie es zu Beginn der isländische Reiseführer sagte: Hier auf dieser Welt wird gerade jeder Mensch gebraucht. Jedes Talent, egal in welchem Bereich es auch liegt. Jede neue Idee, die sich den alten Mensch- und Umweltausbeutenden Systemen gegenüberstellt. Neues Wissen. Neue Hoffnung.

Jane Goodall, eine Frau, die zu meinen absoluten Vorbildern gehört hat dazu sinngemäß vor einiger Zeit in einem Interview gesagt, dass wir uns nicht überwältigen lassen sollten, weil wir gar nicht wissen, wo wir bei all den Baustellen anfangen sollen. Sie sagte, wir müssten einfach alle dort anfangen, wo es uns hinzieht. In dem, was wir am besten können, was uns am meisten begeistert, was uns am meisten Freude macht. Und in diesen Bereichen unser allerbestes für eine bessere Welt geben. 

Sorgt dafür, dass eure Kinder, die kommenden Generationen, ein neues, friedliches und nachhaltiges Weltbild vorgelebt bekommen. Dass sich sowohl die Rolle der Frauen, als auch die Rolle der Männer verändert. Dass wir nicht länger in so einer Bullshitgesellschaft leben, in der Jungen eingeredet wird, sie müssten stark sein, während die „braven, leisen, lieben Mädchen“ sich „den wilden Jungen“ unterordnen. Sorgt dafür, dass die Kinder, mit denen ihr zu tun habt, weltoffen und tolerant sind und erst gar nicht auf die Idee kommen, dass sie sich von Menschen anderer Herkunft, anderer Hautfarbe oder anderer sexueller Identität bedroht fühlen könnten. So dass sie nicht erst dann für diese Werte einstehen können, wenn diese auf dem Prüfstand stehen, sondern ganz selbstverständlich. Von Anfang an.

 

 


Ich freue mich, wenn du mir deine Gedanken zu diesem Beitrag in den Kommentaren hinterlässt. Allerdings kann ich hier, in diesem Rahmen, nicht persönlich darauf eingehen. Wenn du dir eine persönliche Antwort wünschst, ist es immer besser, mir eine Mail zu schreiben ;) Aktuelle Inhalte von mir findest du außerdem immer auf Instagram unter @the.feeling.files

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