Über Me-Time, erfüllten und unerfüllten Kinderwunsch und über die Karten, die das Leben uns ausgeteilt hat

In diesem Artikel geht es um Me-Time, Selbstfürsorge, Selbstliebe- und um das gängige Vorurteil, dass sich all das nur Menschen ohne Verpflichtungen leisten könnten oder dass es gar egoistisch wäre.

Es geht auch um die Karten, die das Leben uns ausgeteilt hat. Um Familienmodelle, um erfüllten, genauso wie unerfüllten Kinderwunsch. Und darum, dass es letztlich an uns selbst liegt, was wir mit den Karten, die uns zugeteilt wurden, anfangen.

Ich möchte deinen Blick für die Fülle an Möglichkeiten weiten, die dir zur Verfügung stehen- ob du Kinder hast oder nicht. Und dich vor allem daran erinnern, dass es dein Leben ist und dass du es wert bist, es dir so gut einzurichten, wie es eben geht.

 

Ich nehme dich ein bisschen in meine eigenen, ganz persönlichen Erfahrungen mit und erzähle dir auch etwas darüber, welche Entscheidungen dem gegenüber andere Menschen für sich getroffen haben, mit denen ich bereits gearbeitet habe.

 

Wir können uns eben nicht alle Umstände unseres Lebens aussuchen.

Manche Menschen werden in Familien und Lebenssituationen hineingeboren, die es ihnen wesentlich schwieriger machen als anderen, sich gesund zu entwickeln. Manche Menschen kommen mit körperlichen Beeinträchtigungen zur Welt, die ihnen ebenfalls eine wesentlich schwierigere Ausgangsposition geben als anderen. Darüber, dass es an manchen Orten einfach viel sicherer ist aufzuwachsen als an anderen, müssen wir eigentlich gar nicht sprechen.

 

Und auch im Verlauf des Lebens gibt es Menschen, die von schwerwiegenden Verlusten betroffen sind. Die Traumata erleben, die aus unterschiedlichsten Gründen ihr Zuhause verlassen müssen- kurz, die sich in Situationen wiederfinden, die sie sich sicher nicht unbedingt so ausgesucht hätten.

 

Worüber ich heute schreibe ist eine Facette dieses Themas: verschiedene Familienmodelle, erfüllter oder unerfüllter Kinderwunsch, Überforderung, Selbstfürsorge, persönliche Entscheidungen und Eigenverantwortung.

 

Wie immer zeichne ich dazu ein umfassendes Bild. Es geht gleichermaßen um das Respektieren und Anerkennen anderer Lebensmodelle, als die, die wir für uns selbst gewählt hätten, genauso wie darum, Dinge loszulassen und aus der Hand zu geben, die eben nicht zu ändern sind.

 

Mein ganz persönlicher Ausgangspunkt

Beginnen wir mit einem Teil meiner eigenen Geschichte: Zum Zeitpunkt wo ich diesen Artikel hier schreibe, bin ich 41 und habe keine Kinder. Ohne hier zu weit auszuholen, war das keine bewusste Entscheidung gegen Kinder, sondern eine die sich im Verlauf der Jahre so ergeben hat. Meine Kinderwunsch-Frage, hätte ich vor zehn Jahren sicher noch ganz anders beantwortet. Aber nun ist es eben anders gekommen.

 

Ich habe in meinem Leben viel erreicht- auch ohne Kinder zu haben. Und dennoch empfinde ich die Maßstäbe, die hier immer noch angesetzt werden und die Vorstellungen anderer, die mir teilweise entgegengebracht werden, zum einen veraltet, zum anderen mitunter unangebracht. Unabhängig von mir selbst gibt es eben auch Frauen, die sich nicht aussuchen kinderlos zu leben.

 

Inzwischen habe ich mir selbst ein Leben eingerichtet, unter den Bedingungen, die ich eben hatte, mit dem ich sehr zufrieden bin und das sich beständig verbessert. Durch Therapien, Coachings, Selbstreflexion, etc. kenne ich mich selbst täglich besser, weiß wer ich bin, was für mich geht, was für mich nicht geht und stehe zu mir. Ich treffe, soweit mir das möglich ist, Entscheidungen, die meinem Wohl dienen. Entscheidungen auch, die ich manchmal gegenüber anderen verteidigen muss, weil sie für sich selbst andere getroffen hätten und ich dennoch weiß, dass sie richtig für mich sind.

 

Nichts davon ist mir in den Schoß gefallen.

 

Nichts an der Entwicklung dieser Lebenshaltung war einfach. Ich habe mich immer in der Tiefe mit meinen Traumata, Verlusten, zerplatzten Träumen, Trauer, Ängsten etc. auseinandergesetzt- und führe deshalb heute ein Leben, mit dem ich zufrieden bin. Oft sogar mehr als das. Natürlich gibt es auch für mich Dinge, die ich noch weiter verbessern will. Dinge, die definitiv noch besser und harmonischer und cooler werden können. Träume die noch erfüllt werden wollen. Aber ich bin auf einem guten Weg.

 

Das hier ist aktuell mein Weg. Ich habe für mich, aus meinen Karten, das momentan bestmögliche für mich gemacht.

 

Du kannst und musst deinen eigenen Weg finden.

 

Und hier kommt die Eigenverantwortung ins Spiel…

  

Eine Frage der Perspektive

 

Vielleicht hast du selbst auch schon mal folgende Sätze gehört, von denen mir meine Klient*innen mitunter berichten:

 

"Ja, so gut wie du hätte ich es auch mal gerne… . Mit so viel Freizeit könnte ich auch eine Stunde am Tag meditieren!" oder: "Ja, kein Wunder, dass du dich so gut um dich selbst kümmern kannst, du hast ja keinerlei Verpflichtungen!"

 

Zum einen empfinde ich das als übergriffig: Auch ich (genauso wie jede andere kinderlose Frau, ob in Beziehung oder nicht) habe meine Miete und meine Rechnungen zu bezahlen, meine Verträge zu erfüllen und Aufträge einzuhalten und meine ganz eigenen Herausforderungen. (Beispielsweise: Liebe ich meine Freiheiten? Absolut! Fühle ich mich manchmal allein und hab Sorgen bezüglich meiner Zukunft? Definitiv auch das. Nichts kommt nur mit einer Seite der Medaille.)

 

Ich kann mir nicht "nur ein schönes Leben machen, weil ich keine Kinder habe". Ich mache einfach das Beste aus meinen eigenen Umständen.

 

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun und das ist wohl die Kernaussage, auf die ich hier hinaus will:

Was du mit deinen Umständen und Bedingungen machst, entscheidest du selbst. Du hast bestimmte Karten zugewiesen bekommen, und jetzt liegt es in deiner Verantwortung was du damit machst. Und, (und das ist erfahrungsgemäß das schwierigste Element im Veränderungsprozess), was du glaubst selbst wert zu sein.

 

 

Entscheidungen, die andere für sich treffen: Beispiele

 

Auf Instagram findest du hunderte an Profilen von Familien, die mit kleinen Kindern und Wohnwagen durch die Welt reisen. Manche dabei alleinerziehend, manche sind zu sechst, manche mit Säugling, manche mit Teenager, manche mit beidem und manche zusätzlich mit Hund. Es gibt Menschen, die sich bewusst räumlich verkleinern, minimalistischer und nachhaltiger leben, um mehr Geld und somit Freiheit für anderes zu haben. Es gibt Familien, die komplett ins Ausland gehen, weil ihnen dort die Schulsysteme besser gefallen. Manche im Wohnwagen, manche in gemieteten Airbnbs, manche auf die eigene Farm. 

 

Auch Frauen in meiner Situation und Position machen das. Manche mit Katze, manche ohne. Manche in Tiny Houses, manche in Luxusunterkünften.

 

Es gibt Profile von Familien, die sich dazu entscheiden, Oma und Opa mit ins Haus zu holen. Oder fremde Menschen im Rahmen von  generationsübergreifenden Projekten in ihren Alltag aufzunehmen, um sich gegenseitig mit Fähigkeiten, Betreuung und Pflege zu bereichern. Es gibt große Patchworkfamilien incl. eventuellen Expartner*innen, die prima miteinander auskommen, Feste gemeinsam verbringen und sich gegenseitig unterstützen und Halt geben.

 

(All diese Bereiche sind im Übrigen auch ganz besonders für Menschen ohne Kinder wichtig- denn nur weil du keine hast, heißt das nicht, dass du im Alter zwangsläufig allein sein musst. Auch hier liegt es allein bei dir, was du daraus machst und was du zulässt.)

 

Es gibt sowohl Einzelpersonen, als auch Familien, und zwar mit und ohne Kinder, die sich dazu entscheiden sehr viel zu arbeiten, um sich viele Extras leisten zu können. Und genauso gibt es jene, die sich dazu entscheiden nur das Mindestmaß zu arbeiten, um möglichst viel Freizeit zu haben und dafür Abstriche an anderen Stellen machen. Familien, Menschen und Bedürfnisse sind unterschiedlich und das ist vollkommen in Ordnung so.

 

Natürlich gibt es hier viele systemische Hürden, das ist mir mit jahrelanger Tätigkeit in der sozialen Arbeit absolut klar. Wer in einer Großstadtwohnung mit einem durchschnittlich erlernten Beruf lebt, hat ganz sicher andere Optionen, als jemand, dem die Wohnsituation sowohl räumlich als auch finanziell etwas mehr Luft lässt.

 

Und dennoch sind immer, immer, immer Verbesserungen möglich, wenn man sich mit sich selbst und seinen Umständen ehrlich, mit viel Mut und ohne Scham auseinandersetzt und es angeht.

Das kann ich dir mit absoluter Sicherheit sagen, eben weil ich mit so vielen unterschiedlichen Menschen in den unterschiedlichsten Ausgangspositionen gearbeitet habe. Wenn du lernst an dich zu glauben, daran, dass auch du wertvoll bist und sowohl etwas zu geben hast, als auch empfangen darfst, beginnen die Dinge sich zu verändern.

 

"So gut wie du hätte ich es auch mal gerne", ist somit leider eine häufige Lebenseinstellung, die mehr einschränkt, als sie müsste.

 

Du entscheidest, was du mit deinem Leben machst. Du entscheidest, für was du wie viel Geld ausgeben möchtest. Ob dir Urlaub, ein teures Auto, Markenklamotten, Kosmetik oder was auch immer, fünf oder zehn Stunden mehr Arbeit die Woche wert sind. Und das ist keine Beurteilung. Wenn sie es dir wert sind, prima! Wenn sie es dir nicht wert sind, genauso gut! Wichtig ist nur, dass du hierin eine Entscheidung für dich erkennst. 

 

Entscheidungen, die ich persönlich getroffen habe

  

Ich gebe dir noch zwei persönliche Beispiele von mir:

 

Ich habe mich weite Strecken meines Berufslebens dazu entschieden Teilzeit zu arbeiten. ("Du hast ja nicht mal Kinder, wieso arbeitest du denn nur Teilzeit?!") Weil ich damals einen Job hatte, der enorm herausfordernd war und bei dem ich permanent krank geworden bin. So sehr, dass es mich langfristig beeinträchtigt hat. Teilzeit zu arbeiten war gerade so machbar, ohne sämtliche Lebensqualität zu verlieren.

 

Heute hat sich das zum Glück komplett gewandelt, aber damals war das eine wichtige, persönliche Entscheidung. Und inzwischen wehre ich mich dagegen, persönliche Entscheidungen gegenüber Menschen zu rechtfertigen, die davon nicht berührt werden. Solche Dinge spreche ich in meiner Primärbeziehung ab. Mit Menschen, die davon zeitlich, finanziell, emotional oder was auch immer mit betroffen sind- das ist klar.

 

Dafür in Kauf genommen (im wahrsten Sinne des Wortes!) habe ich, dass ich finanziell damals nicht so frei war, wie viele andere.

 

Außerdem habe ich mich, auch mit meinem Teilzeitgehalt, dazu entschieden jeden Monat durchschnittlich 250€ in Therapien etc. zu investieren. Das bedeutete automatisch auch, dass ich mich gegen teure Urlaube, Restaurantbesuche, Klamotten etc. entschieden habe.

 

Und genauso ist es eben: eine Entscheidung für etwas bedeutet auch gleichzeitig in aller Regel eine Entscheidung gegen etwas anderes, oder zumindest gegen eine Facette von etwas. Abwägen kannst das nur du selbst.

 

Ich hatte in meinem Rahmen immer die Wahl und bin aus heutiger Sicht sehr froh sie jeweils bewusst getroffen zu haben.

 

Zeit für sich selbst im Rahmen von Beziehungen

 

Zeit für sich selbst zu haben ist auch immer so ein Thema. Vielen Menschen die ich im Rahmen meiner Arbeit kennenlerne fehlt das sehr und gleichzeitig scheint da so gar keine Lösung in Sicht zu sein.

 

Aber auch das stimmt nicht so ganz, denn Lösungen gibt es auch hier: Beispielsweise hast du die Möglichkeit mit deinem Partner/ deiner Partnerin Zeiten abzusprechen, die ihr jeweils für euch alleine zur Verfügung habt. Du hast die Möglichkeit der Kinderbetreuung durch andere. Du hast die Möglichkeit dir ungewöhnliche Zeitfenster für Me-Time zu setzen, wie zum Beispiel früh morgens oder abends. Du hast die Möglichkeit, dich durch Freunde und Familie unterstützen zu lassen. Sich gegenseitig Dinge abzunehmen. Und wenn es solche Menschen noch nicht in deinem Leben gibt, hast du die Möglichkeit dir ein entsprechendes Netzwerk aufzubauen.

 

Generell entscheidest du natürlich auch, mit wem du überhaupt in Beziehung bist. Du fühlst dich von deinem Partner/ deiner Partnerin nicht wirklich unterstützt, gesehen, geschätzt und hättest es gern anders?

Auch hier hast du Entscheidungsmöglichkeiten: von offenen Gesprächen, über Einzeltherapie, über Paartherapie, über Trennung bis hin zu "besser und schöner als jemals zuvor", liegt alles in deiner Hand. Und in der Hand deines Gegenübers natürlich. Beziehung funktioniert eben nur durch Kommunikation und Gegenseitigkeit. Und das kann dann mitunter leider auch einer der schmerzlichen Punkte im Leben werden, an dem wir lernen müssen loszulassen, was eben nicht mehr in unserem Einflussbereich liegt.

 

Welche Entscheidung hier die richtige für dich ist, kann dir niemand beantworten, außer du selbst.

 

Entscheidungen in Beziehungen, ob dafür oder dagegen, sind sicherlich die schwierigsten, die wir zu treffen haben. Aber auch das kannst du. Auch dazu bist du fähig. Auch hier gibt es Menschen, die dich auffangen und unterstützen können- ob das nun Familie, Freunde oder Profis sind.

 

Dieses eine wilde und kostbare Leben...

  

Selbstfürsorge, Selbstliebe, Me-Time etc. bedeuten im Übrigen niemals: "Ich immer zuerst!", sondern einfach nur "Ich auch". Auch du brauchst eben aufgeladene Akkus, um dein Leben nicht nur irgendwie bis zur Rente durchzuziehen, sondern es wirklich, zumindest über weite Strecken, auch wirklich zu leben und genießen zu können. Wofür sonst sollten wir alle hier sein?

 

Wenn du also nicht genug Zeit für dich hast, um dich um dich selbst zu kümmern, hat das nichts damit zu tun, welches deine Ausgangspositionen waren, welches Familienmodell du für dich gewählt hast, ob du Kinder hast oder nicht, ob du Single oder in Beziehung bist, sondern damit, wie du deine Prioritäten und Werte lebst. Was dir wichtig ist. Was du aus den Karten machst, die du gezogen hast. Und wie sehr du dich traust, für dich selbst und deine Bedürfnisse einzustehen.

 

Niemand, ich als letztes, behauptet, dass das einfach ist. Es ist viel einfacher alles so zu lassen, wie es ist. Es sei denn, dass du irgendwann an den Punkt kommst, an dem genau das schmerzhafter wird, als die Angst vor Veränderung. Sollte das jemals so sein, sei dir sicher, dass ich (und viele andere) dich aus ganzem Herzen anfeuern werden. Wir verstehen sowohl deine Tränen, als auch deine Ängste. Wir kennen deine Befürchtungen und Sehnsüchte. Und wir wissen, dass es sich lohnt und dass dein Glück so manches Risiko wert ist.

 

Schließen wir mit Mary Olivers berühmten Zitat: "What is it you plan to do with your one wild and precious life?"

 

 


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