Verstehen, wer wird sind: Fight, Flight, Freeze

Eines nochmal vorweg: ich bin keine Ärztin oder Psychologin und verweise deshalb an dieser Stelle noch einmal besonders auf meinen Disclaimer. Die wissenschaftliche Unterfütterung der folgenden Ausführungen, findest du z.B. in den Veröffentlichungen von Dr. Bruce Lipton oder auch Dr. Joe Dispenza hier.


Ohne jede Frage, wenn du Probleme hast ist es wichtig, dass du dir ein Expertenteam zusammenstellst, mit dem du arbeiten kannst und das dich unterstützt, so wie du es brauchst. Gleichzeitig ist es jedoch unerlässlich, dass du dir deine eigene Macht zurück holst. Das Gefühl der absoluten Hilflosigkeit und das Gefühl des Ausgeliefertseins, ist etwas, was jede Krise noch verstärkt.

 

Deshalb ist es grundlegend wichtig, einiges über den Aufbau unserer Körper und über die Funktionen unserer Psyche und unseres Nervensystems zu verstehen. In der Psychologie wird das auch "Psychoedukation" genannt: die Aufklärung über das, was in uns und unserem Körper vor sich geht. Dieser Lernprozess kann uns einen großen Teil unserer Macht (oder auch Selbstwirksamkeit) zurückgeben. Denn umso besser wir Dinge und Vorgänge verstehen, insbesondere, wenn sie mit Angst, Nervosität und Aufregung zu tun haben, umso mehr verlieren sie ihre Bedrohlichkeit. 

 

In meiner eigenen Reise quer durch Angststörungen und Panikattacken war es mit am hilfreichsten für mich, endlich zu begreifen, was da in meinem Körper eigentlich geschieht. Und dass es keine Fehlfunktion meines Körpers ist, mit absoluter Panik auf eine Situation zu reagieren, die anderen noch nicht mal ein Wimpernzucken abverlangt, sondern eine sorgfältig ausgewählte Reaktion, die, wenn man erst mal verstanden hat warum, durchaus und absolut Sinn macht.

 

In diesem Zusammenhang ist es wichtig sich das Konzept der "Kampf-Flucht-Reaktion" bewusst zu machen.

 

Kampf- oder Fluchtreaktion

Es gibt "Versuche" mit Babys, die man über eine Glasplatte krabbeln lässt, die den Eindruck vermittelt, dass dort ein Abgrund ist. Die natürliche Reaktion ist, dass die Babys sitzen bleiben und nicht weiter krabbeln, obwohl im Grunde genommen nichts passieren könnte. Das zeigt uns, dass Angst eine vollkommen natürliche und auch nützliche Reaktion unseres Körpers ist.

 

Am Rande eines plötzlich auftauchenden Abgrunds ziehen wir uns zurück. Unser Körper erstarrt und weißt uns zum Rückzug an.

Wir erschrecken vor einem lauten Geräusch, unser Herz klopft wie wild, während wir versuchen zu erfassen, was gerade geschehen ist. In einem solchen Moment bereitet sich unser Körper von null auf hundert auf eine Flucht vor. Der Schreck und die Angst sagen uns: hier stimmt etwas nicht, hier droht Gefahr, lauf weg. Unser ganzer Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt, alle Körpersysteme stellen sich in diesem Moment um und schütten chemische Stoffe aus, die uns für diese Situation mehr Kraft und Energie verleihen. Unser Herzschlag und unsere Atmung werden schneller, die Verdauungstätigkeit wird heruntergefahren, weil sie gerade nicht das Wichtigste ist: diese beispielhaften, und noch viele weitere, rein biologische Vorgänge, werden aktiviert.

Oft wird in diesem Zusammenhang auch das Beispiel mit dem Säbelzahntiger verwendet. Das Überleben unserer frühen Vorfahren hing davon ab, auf der Jagd nach Nahrung Gefahren zu erkennen, und diese entweder bekämpfen oder vor ihnen flüchten zu können. Angst ist also grundsätzlich eine wirklich sinnvolle, nützliche und in diesem Zusammenhang tatsächlich eine  überlebenswichtige Funktion unseres Körpers.

 

Was aber ganz wichtig zu wissen ist, ist, dass diese nützlichen Funktionen immer nur auf kurze Zeiträume angelegt sind. Sobald die Gefahr vorüber ist und wir uns in Sicherheit befinden, kehrt unser Körper in den Zustand der Entspannung und des Gleichgewichts zurück. Wissenschaftlich heißt dieser Zustand "Homöostase". Die Übertragung dieses Wissens auf unseren heutigen Alltag ist nicht schwer: es gibt kaum noch Säbelzahntiger, die uns verfolgen. Angst ist nützlich, wenn wir eine Sirene hören und wissen, dass wir nun besonders aufmerksam sein müssen, weil uns Gefahr drohen könnte. Oder weil wir dem nahenden Einsatzfahrzeug Raum gewähren müssen. Angst ist auch dann nützlich, wenn uns auf unserer Fahrbahn ein Auto entgegen kommt und wir in Sekunden von Bruchteilen reagieren müssen, um diesem auszuweichen. Solche Schrecksituationen kennt jeder. Aber sie halten nicht lange an. Sobald die Gefahr vorüber ist, beruhigt sich unser klopfendes Herz wieder und wir kehren relativ schnell zu unserem Alltag zurück.

 

(Das bezieht sich natürlich nicht auf posttraumatische Belastungsstörungen- die sind ein ganz eigenes, sehr wichtiges Thema!)

 

Dafür setzen wir unseren Körper jedoch ständig auf andere Art und Weise in Alarmbereitschaft: die Raubtiere von früher erscheinen heute in Gestalt unseres cholerischen Vorgesetzten, in Gestalt unseres leeren Bankkontos oder in Gestalt der ewig an uns nörgelnden Schwiegermutter. Auch wenn wir wichtige Präsentationen halten sollten, Prüfungen ablegen müssen oder uns generell vor Gruppen präsentieren müssen, entsteht in unserem Körper oft der Eindruck, wir wären überall von unzähmbaren Säbelzahntigern umgeben.  Auch in diesen Situationen schüttet unser Körper Angst- und Stresshormone aus. Mit dem Unterschied, dass sie sich nicht nach kurzer Zeit wieder abbauen, so wie die Körperfunktion ursprünglich gedacht war, sondern dass sie ständig in unserem Körpersystem kreisen. Ein Körper der ständig mit diesen Hormonen überflutet wird, kann langfristig gesehen nicht gesund bleiben.

 

Natürlich ist das hier nur eine ganz kurz gefasste Erklärung dessen, was Angst und Stress in unserem Körper bewirken und auslösen können. Es gibt da noch wichtige Erklärungen über das sympathische und das parasympathische Nervensystem, Details und Fachwissen, über Hormone und Neurotransmitter, die ich hier nur "chemische Stoffe" nenne, über das Wissen, was man biologisch und evolutionstheoretisch über Tiere gewonnen hat (beispielweise über die Reaktionen einer Gazelle, die einem Löwen entkommen ist) und natürlich wesentlich mehr über die biologische Zusammensetzung unserer Körper. (So können zum Beispiel auch die falsche Ernährung oder der Mangel an bestimmten Vitaminen und Mineralstoffen Angst, Unruhe und Nervosität im Körper hervorrufen.)

Aber das hier soll nur ein erstes Verstehen dessen ermöglichen, was uns unseren Alltag erschwert. Für all diese Themen würde ich Bruce Lipton, einen amerikanischen Epigenetikforscher, empfehlen, der absoluter Experte auf diesem Gebiet ist und noch dazu das große Talent besitzt, diese komplexen Themen so zu erklären, dass auch wissenschaftliche Laien sie verstehen und nachvollziehen können!

 

Körper, Gedanken und Emotionen (Körper, Geist & Seele) sind untrennbar miteinander verbunden. Das eine nimmt Einfluss auf das andere.  Wer nur einmal eine Panikattacke hatte und am eigenen Leib gespürt hat, welche Reaktionen der Körper durch pure Vorstellungskraft oder durch puren Stress hervorrufen kann, zweifelt nie wieder am Einfluss der Psyche mit ihren Gedanken und Gefühlen auf den Körper. Wenn wir uns gut fühlen schüttet der Körper andere Chemikalien und Hormone in unser Körpersystem aus, als wenn wir Angst haben oder angespannt sind. Und wenn wir unseren Körper in einen permanenten Zustand von Kampf- oder Fluchtreaktion setzten, der die entsprechenden Hormone ausschüttet, die eigentlich nur für kurzzeitige Reaktionen gedacht sind, ist es keine Frage, dass diese Zustände langfristig sehr schädlich für uns sein können.

Freeze: Hoffen, dass die Gefahr an uns vorüber zieht

Unser Gehirn scannt also ständig unsere Umgebung auf mögliche Dinge, um die wir uns vielleicht kümmern müssen. Gegen manche müssen wir vielleicht körperlich kämpfen, bei anderen wird relativ schnell klar: Keine Chance, lieber rennen (flüchten) so schnell es geht. Als dritte Reaktion gibt es dann noch "freeze" also einfrieren, bzw. in Bewegungslosigkeit verharren. Auch das ist eine Reaktion, die man im Tierreich immer wieder beobachten kann. Sich tot stellen, in der Hoffnung, dass die Gefahr vorüber zieht, ohne uns bemerkt zu haben. 

Auch das ist ein Muster, was wir häufig bei uns selbst wieder finden. Wir sind so gestresst, so verängstigt, so überwältigt von den Entscheidungen, die wir eigentlich treffen müssten, dass wir gar keine Entscheidungen mehr treffen. Dass wir Verantwortung und Konflikten aus dem Weg gehen und einfach nur hoffen, sicher und unbeschadet auf der anderen Seite herauszukommen.

 

Dieses Verhalten ist zwar absolut verständlich und nachvollziehbar, beraubt dich aber, wie am Anfang beschrieben, aller persönlichen Kraft und Macht. Du begibst dich in Abhängigkeitsverhältnisse, in denen andere über dich bestimmen anstatt du selbst.

 

Ein erster Schritt aus all dem heraus ist das Bewusstsein für und das Verstehen dieser Zusammenhänge. Umso mehr du dich damit beschäftigst und darüber in Erfahrung bringst, umso eher wirst du dich zukünftig in solchen Situationen fragen können, ob es nicht doch noch eine weitere, eine alternative Handlungsmöglichkeit für dich gibt, die dir, langfristig gesehen, besser dient.

 

Ganz besonders hilfreich in diesem Zusammenhang (eigentlich gilt das aber immer...) sind Bücher mit Erfahrungsberichten von Menschen, die Angststörungen oder andere psychische Erkrankungen überwunden haben. Zum einen merkt man dadurch, dass man nicht "verrückt" ist, weil all das mit einem geschieht, weil es auch anderen Menschen ganz genauso geht. Zum anderen geht aber auch jeder Mensch ganz anders damit um und entwickelt seine eigenen Bewältigungsstrategien und Lösungen von denen man lernen kann. 

 


Ich freue mich, wenn du mir deine Gedanken zu diesem Beitrag in den Kommentaren hinterlässt. Allerdings kann ich hier, in diesem Rahmen, nicht persönlich darauf eingehen. Wenn du dir eine persönliche Antwort wünschst, ist es immer besser, mir eine Mail zu schreiben ;) Aktuelle Inhalte von mir findest du außerdem immer auf Instagram unter @the.feeling.files


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