Über frühkindliche Prägungen und das Erbe unserer Familien

 

Mit mir als Coach zusammenzuarbeiten ist definitiv nicht möglich, wenn du nicht dafür offen bist, deine persönlichen Prägungen und früh erlernten Verhaltensmuster  zu erforschen und zu hinterfragen. Wenn du im Heute etwas verändern willst, musst du wissen, was dich ggf. daran hindert oder was es dir erschwert, diese Veränderungen vorzunehmen. Dafür müssen wir uns nicht zwangsläufig jahrelang mit den Unzulänglichkeiten der eigenen Kindheit auseinandersetzen und auch keine Schuldzuweisungen vornehmen. Aber wir müssen hinschauen, um zunächst im ersten Schritt verstehen, und dann, im zweiten Schritt, auch verändern zu können.

 

Lass mich erklären, was ich damit meine:

 

Unzählige Menschen leiden heute unter dem Gefühl, es nie allen Recht machen zu können. Überforderung macht sich mehr und mehr breit, weil das Gefühl aufkommt, unmöglich alles schaffen zu können, was aus so vielen verschiedenen Richtungen von uns verlangt wird. Und dennoch ist genau das, nämlich in möglichst allem, möglichst perfekt zu sein, ein tief verwurzelter Wunsch, der meist in einer sehr frühen Prägephase unserer Kindheit entsteht.

Damals haben wir oft (natürlich unbewusst) ausgleichende Rollen übernommen. Vielleicht wollten wir unsere überlasteten Eltern schützen und haben versucht ihnen Aufgaben abzunehmen. Oder wir wollten einer nahe stehenden Person nicht noch mehr Schmerz zufügen, indem wir sie durch die Ablehnung einer Bitte oder eines Wunsches enttäuschen. Wir konnten vielleicht Streit nicht gut aushalten und haben uns immer bemüht, die Wogen wieder zu glätten. Oder wir befürchteten sogar eine Strafe, wenn wir uns nicht an die Norm in unserer Familie hielten. 

 

Es ist also kein Wunder, wenn diese so früh erlernten Strategien auch heute noch in deinen erwachsenen Beziehungen auftauchen und dich damit gelegentlich in Schwierigkeiten bringen! 

 

Und damit bist du nicht allein, denn die aller wenigsten von uns sind in freien (und gleichzeitig sicheren!!!) Familienstrukturen aufgewachsen. Die wenigsten von uns haben die Erfahrung gemacht, dass ihre Bedürfnisse und Emotionen wirklich gesehen, anerkannt und ernst genommen wurden. Der Wunsch, es allen recht machen und alle zufrieden stellen zu wollen, ist deshalb in vielen von uns tief verankert.

  

Viele meiner Klient*innen fühlen sich ihrem Partner, ihrer Partnerin, ihren Kindern, ihren Eltern oder ihrer besten Freundin gegenüber so sehr verpflichtet, dass sie tatsächlich glauben, für deren Glück verantwortlich zu sein. „Nein“ zu sagen und deren Wünsche nicht zu erfüllen, löst oft unbewusste, in unserer Kindheit angenommene, Muster aus. Wenn diese Muster ausgelöst werden, fühlen wir uns (in unterschiedlichem Ausmaß) unsicher. Wir werden nervös, bekommen Angst, und stürzen uns so in alles, was dieses Gefühl beenden kann. Im Alltag sieht das dann häufig so aus, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse sehr weit hinter denen anderer zurückstellen.

 

Die Gestaltung unseres Lebens wird maßgeblich davon beeinflusst, was wir schon früh gelernt haben

Beispielsweise beansprucht dein Chefin dich stark und geht wie selbstverständlich davon aus, dass du immer wieder spontane Überstunden machst. Eigentlich bist du erschöpft, wolltest lieber noch beim Yoga entspannen. Wolltest dir einen ruhigen Abend machen. Aber deine Nervosität, dich mit deiner Chefin auseinandersetzen zu müssen, ist groß. Innerlich ist dir an Harmonie gelegen. Konflikte steigern dein Stresslevel noch viel mehr. Also tust du lieber was sie von dir verlangt. Du kannst ja auch am Wochenende zum Yoga gehen. Wichtig ist an diesem Szenario zu erkennen, dass dein Unterbewusstsein mit dieser Vermeidungsstrategie gerade tatsächlich dein Stresslevel gesenkt hat!

  

Oder der Klassiker: Du hattest schon immer diese künstlerische Ader. Du hast Musik- und Theaterprojekte in der Schule geliebt und bist darin völlig aufgegangen. Noch als Jugendliche hast du davon geträumt dich weiter ausbilden zu lassen. Es müsste nicht mal Hollywood sein. Man sollte schließlich meinen, bei all der Vielfalt in der heutigen Medienlandschaft, dass es gute, kreative Jobs vor und hinter den Kulissen gibt, die dir entsprechen.

 

Aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass du in einem Umfeld groß wurdest, das an feste, solide Jobs in mittelständigen bis großen Unternehmen glaubte. Und du wurdest mit Glaubensmustern geprägt, die dir sagten: „Das wird nie was! Hör auf zu träumen!“

Und da du, wie wir alle, als Kind sehr auf das Wohlwollen und die Anerkennung der Erwachsenen in deiner Umgebung angewiesen warst, fällt es dir auch jetzt noch enorm schwer, deine eigenen Bedürfnisse zu verteidigen und an erste Stelle zu setzen. 

„Theaterspielen kann ja auch ein Hobby von dir sein“, hat deine Mutter dir wohlmeinend mit auf den Weg gegeben.

Du studierst also etwas Solides mit Wirtschaftsbezug und sorgst damit für Sicherheit bei dir und in deinem Umfeld. Zunächst hast du noch Spaß am Laienschauspiel in deiner Stadt und freust dich auf die Proben und gelegentliche Auftritte. Doch nach und nach, verlierst du die Lust. Du bist einfach zu müde. Dein Job, deine Vorgesetzten, deine offenen Rechnungen verlangen dir zu viel ab, als dass du abends noch Termine annehmen könntest.

 

Und an dieser Stelle hast du dann, stellvertretend für so viele andere, den Punkt erreicht, an dem sich die vielgepriesene Work-Life-Balance heimlich, still und leise, zugunsten deiner frühkindlichen Prägungen, verabschiedet hat. (Lies zum Thema Work-Life auch gerne diesen Artikel hier!)

 

Ohne jeden Zweifel: aus diesen altbekannten Systemen auszusteigen erfordert sehr viel Mut. Denn unser Umfeld suggeriert uns sehr häufig, dass es dumm, unsicher und gefährlich ist, unseren eigenen Weg verfolgen zu wollen.

 

Das hier sind nur wenige Beispiele zur Verdeutlichung dafür, wie sich das, was wir in unserer Kindheit gelernt haben, immer wieder auf unser heutiges Leben als Erwachsene auswirkt.  Und fast immer liegt es an diesen Prägungen, die unbewusst durch unsere Emotionen und Gedankenwelt wandern, wenn wir in die immer wieder gleichen Probleme geraten. Wenn wir in Kreisläufen á la "Und täglich grüßt das Murmeltier" feststecken. Immer dann lohnt ein ganz genauer Blick in all das, was wir von unserer Familie geerbt haben.

 

Kurz sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass ich hier von relativ "normalen" Situationen gesprochen habe. Niemand ist ohne die ein oder andere negative Prägung aufgewachsen! 

Ähnlich wirken sich aber natürlich auch Traumata aus. Dazu gehören körperliche Verletzungen, körperliche, sexuelle und emotionale Gewalt, Vernachlässigung, Verlassenwerden und vieles mehr. Auch um diese Traumata muss man sich letzten Endes kümmern, wenn man wieder heil und ganz werden will. Diese Traumata können die unterschiedlichsten Ausprägungen und Schweregrade haben. Mit einigen lässt sich gut auf unserer gemeinsamen Ebene arbeiten, für andere braucht es mehr Fachleute und/oder zusätzliche medizinische Behandlung. (Dazu schau dir aber bitte noch einmal meinen Disclaimer an!)

 


Ich freue mich, wenn du mir deine Gedanken zu diesem Beitrag in den Kommentaren hinterlässt. Allerdings kann ich hier, in diesem Rahmen, nicht persönlich darauf eingehen. Wenn du dir eine persönliche Antwort wünschst, ist es immer besser, mir eine Mail zu schreiben ;) Aktuelle Inhalte von mir findest du außerdem immer auf Instagram unter @the.feeling.files

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